Archivinformation zum Teilbestand „Komitee der Verteidigungsminister“ von Albrecht Kästner
Am 14. Mai 1955 wurde in der polnischen Hauptstadt Warschau ein "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ (Warschauer Vertrag) geschlossen. Die acht Unterzeichnerstaaten waren: Die Volksrepublik Albanien, die Volksrepublik Bulgarien, die Deutsche Demokratische Republik, die Volksrepublik Polen, die Rumänische Volksrepublik, die Ungarische Volksrepublik, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Tschechoslowakische Republik.Die Militärkoalition der osteuropäischen Länder entstand auf Initiative der Sowjetunion, nachdem im Dezember 1954 Vorschläge für ein System kollektiver Sicherheit bei den USA und den westeuropäischen Ländern keine Resonanz fanden. Der Warschauer Vertrag trat am 4. Juni 1955 in Kraft. Die Gültigkeitsdauer des Vertrages wurde auf zwanzig Jahre festgeschrieben. Sie verlängerte sich 1975 um weitere zehn Jahre. Am 26. April 1985 verlängerte sich der Vertrag auf Beschluss des "Politisch Beratenden Ausschusses" um weitere zwanzig Jahre.
Die gesellschaftlichen Veränderungen in Osteuropa und der Zusammenbruch der Sowjetunion führten das Ende des Warschauer Paktes herbei. Die Warschauer Vertragsorganisation wurde am 1. Juli 1991 formell aufgelöst. Dazu unterzeichneten die Vertreter der Paktstaaten in Prag ein "Protokoll über das Erlöschen der Gültigkeit des Warschauer Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand" vom 14. Mai 1955 sowie des am 26. April 1985 in Warschau unterzeichneten Protokolls über die Verlängerung seiner Gültigkeit. Die DDR war bereits am 24. September 1990 offiziell aus dem Pakt ausgeschieden.
Die Organe des Warschauer Paktes entwickelten sich im Gegensatz zu der gewollten politischen Festigung erst nach und nach. Das höchste Gremium nannte sich "Politisch Beratender Ausschuss“. Darin saßen nach ungeschriebener Regel die Generalsekretäre bzw. Ersten Sekretäre der regierenden Kommunistischen Parteien sowie die Regierungschefs und Außenminister. Der "Politisch Beratende Ausschuss" tagte alternierend in den Teilnehmerländern. Er behandelte insbesondere Grundsatzfragen. Seine Beschlüsse waren für das "Vereinte Kommando" bindend. Das "Vereinte Kommando" war das militärische Führungsorgan. Als Oberkommandierender fungierte immer ein sowjetischer Marschall oder General, was auch für den Chef des Stabes zutraf. Auf gemeinsamen Beschluss wurden festgelegte Kontingente der Armeen dem "Vereinten Kommando" unterstellt.
Im Mai 1966 beschlossen die Verteidigungsminister Maßnahmen zur Einrichtung eines Internationalen Stabes, die Bildung eines Technischen Komitees sowie die Besetzung der Führungsfunktionen. Erst am 27./28. Januar 1969 kam es auf Beschluss des "Politisch Beratenden Ausschusses" auf der Prager Tagung zur Bildung des "Komitees der Verteidigungsminister" und des Militärrates beim Kommando der "Vereinten Streitkräfte". Das Komitee konnte Beschlüsse fassen, der Militärrat durfte nur Empfehlungen und Vorschläge unterbreiten. An den Sitzungen des "Komitees der Verteidigungsminister" nahmen regelmäßig auch der Oberkommandierende sowie der Chef des Stabes der "Vereinten Streitkräfte" teil. Die Verteidigungsminister hatten die Aufgabe, aufeinander abgestimmte Vorschläge für die Erhöhung der Kampfkraft der Blockstaaten sowie zur Steigerung der Gefechtsbereitschaft zu erarbeiten. Sie hatten weiterhin den potentiellen Gegner und seine operativen Pläne zu beurteilen und die Entwicklung seiner Streitkräfte zu beobachten. Die Minister wurden zu den Sitzungen von den Chefs der General(Haupt)stäbe und weiteren befohlenen Offizieren begleitet.
Im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg ist der Teilbestand "Komitee der Verteidigungsminister“ im Bestand DVW 1 "Ministerium für Nationale Verteidigung“ überliefert. Das Ministerium war zugleich Kommandobehörde und führte über die Kommandos der Teilstreitkräfte die Verbände und Truppenteile. Der Chef des Hauptstabes im Ministerium nahm die Funktion eines Generalstabchefs wahr. Bei seinem "Stellvertreter für Operative Fragen" wurden die Akten des Teilbestandes "Komitee der Verteidigungsminister“ gebildet. Er besteht im wesentlichen aus den Protokollbänden der Sitzungen 1 bis 25. Sie umfassen den Zeitraum von 1969 bis 1990. Außerdem ist das Protokoll der außerordentlichen Sitzung vom 20. Oktober 1983 in Berlin vorhanden. Die letztere Sitzung wurde aus Anlass der Stationierung von Raketen durch die NATO in Westeuropa einberufen. Neben dem Ergebnisprotokoll, das die Tagesordnung und die wesentlichen Ergebnisse enthält, sind in den Bänden Thesenpapiere, Vorträge und Diskussionsbeiträge, insbesondere der DDR-Seite, überliefert. Ohne im weiteren auf die einzelnen Protokollbände einzugehen, soll nur auf den Protokollband der 10. Sitzung (DVW 1/71034) hingewiesen werden, in dem das Schema der Organisationsstruktur der Organe der "Vereinten Streitkräfte" vorgestellt wird. Im Band der 23. Sitzung (DVW 1/71051) im Dezember 1988 sind als nicht zu vermutende Quelle Unterlagen eines Arbeitstreffens der Minister vom Februar 1989 enthalten. Wesentlicher Inhalt ist der Abzug sowjetischer Truppen aus Afghanistan, die Reduzierungen der Streitkräfte, der Abzug von Truppen aus der DDR, Polen, ČSSR und Ungarn, sowie das Eingehen der Organisation auf die Stockholmer Vereinbarungen (gegenseitige Inspektionen) und das gemeinsame Handeln hinsichtlich der Wiener Verhandlungen zu den konventionellen Streitkräften in Europa.
Quellenkritisch ist zu beachten, dass die Protokolle in der zweiten, dritten oder vierten Ausfertigung vorliegen. Sie sind nicht unterschrieben. Das trifft auch für die erste Ausfertigungen zu, die in separaten Bänden (siehe DVW 1/40378 und DVW 1/40384) zusammengefasst sind. Man kann also annehmen, dass die Unterschriften auf gesonderten Exemplaren geleistet wurden, die natürlich im russischen Militärarchiv zu finden sind. Die im Bundesarchiv-Militärarchiv vorhandenen Unterlagen müssen also nachangefertigt worden sein, ohne dass sie als Abschriften gekennzeichnet sind. Neben den Protokollbänden sind Unterlagen über die Vorbereitung von Sitzungen, Aufstellungen über einzelne Beschlüsse und Zusammenstellungen der Sitzungen im Bestand.
Albrecht Kästner ist Referatsleiter im Bundesarchiv-Militärarchiv, wo er die Bestände der Nationalen Volksarmee und ihrer Vorläufer sowie die der Grenztruppen und der Zivilverteidigung betreut. Albrecht Kästner studierte Geschichte in Leipzig und Archivwissenschaft in Berlin.
Veröffentlichungen: Findbücher zur Hauptverwaltung Ausbildung, zur Kasernierten Volkspolizei und zur Volkspolizei See.